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Das Kannenbäckerland – eine Töpferregion mit Geschichte

Die Töpferregion "Kannenbäckerland" im südwestlichen Westerwald erhielt diese Bezeichnung schon im späten 18. Jahrhundert. Der Name rührt von den Haupterzeugnissen dieser Gegend her, den Kannen und Krügen aus weißem, grau-blauen oder braunen, salzglasierten Steinzeug. Die Grenzen des Kannenbäckerlandes waren stets fließend, da die Steinzeugtöpferei oder "Kannenbäckerei" im Verlaufe der Jahrhunderte nicht in allen Orten kontinuierlich ausgeübt wurde. Die wichtigsten Stätten des historischen Kannenbäckerlandes sind Höhr-Grenzhausen mit Grenzau, dann Alsbach, Hilgert, Hillscheid, Ransbach-Baumbach und Mogendorf sowie Bendorf und Vallendar am Rhein; heute zählen auch Orte wie Bannberscheid, Ebernhahn, Nordhofen, Ötzingen, Quirnbach, Selters, Sessenbach, Siershahn, Staudt und Wirges dazu. Vereinzelte archäologische Funde belegen die Herstellung von Töpferwaren im Westerwald schon in der Prähistorie, doch ist erst seit dem Spätmittelalter eine bis heute ununterbrochene Produktion von Keramik nachweisbar. In schriftlichen Quellen ist die Töpferei in Höhr erstmals durch das Weistum der Herrschaft Vallendar von 1402 belegt. Darin wird reglementiert, wieviel Holz die Töpfer oder "Euler" in Höhr jährlich für ihre Brennöfen aus dem Wald der Herrschaft Vallendar entnehmen durften. Die Bezeichnung "Euler" so wird der traditionell arbeitende Töpfer im Kannenbäckerland noch heute genannt leitet sich von dem lateinischen Begriff "aula,ae, f" ab, was "Topf" bedeutet. Das nur einfaches Geschirr herstellende Töpfergewerbe entwickelte sich kurz vor 1600 innerhalb weniger Jahre zum Kunsthandwerk. Ausgelöst wurde diese Entwicklung durch die Zuwanderung bedeutender und künstlerisch versierter Meister aus Raeren und aus Siegburg. Sie entstammen aus den alten Töpferfamilien Mennicken, Kalb und Knütgen, die an ihren Heimatorten die Steinzeugproduktion bereits zu einer künstlerischen Blüte geführt hatten. Sie brachten neues Formgut, künstlerisch hochwertige Dekore und Motive sowie verbesserte Glasur- und Brenntechniken mit. Ein anderer Einwanderer in dieser Zeit war Jacques Remy aus Lothringen, Stammvater einer weitverzweigten Westerwälder Töpferfamilie. Die eingewanderten Meister versuchten gegenüber den alteingesessenen Töpfern ein Monopol auf ihre qualitativ höherwertige Ware zu erhalten und so wurde 1591 vom Kurfürst von Trier als Landesherr eine entsprechende Ordnung für die Töpfer in Höhr erlassen, der 1603 und 1609 Modifizierungen folgten. Die in dem zur Grafschaft Wied gehörigen Ort Grenzhausen arbeitenden Kannenbäcker wurden 1632 vom Grafen von Wied mit besonderen Privilegien ausgezeichnet. Mit der künstlerischen Blüte seit Ende des 16. Jahrhunderts eng verbunden war der wirtschaftliche Erfolg der Kannenbäcker und die rasche Ausbreitung des Handwerks auf weitere Orte im unteren Westerwald, die verschiedenen Territorialherren unterstanden. Für die in diesen Orten arbeitenden Kannenbäcker wurde 1643 von den beteiligten Landesherren dem Kurfürst von Trier, den Grafen von Wied, von Sayn-Wittgenstein und von Isenburg eine gemeinsame Zunft errichtet. Als Geltungsbereich wurde ein Gebiet "fünff meillen wegß rundt umb Grentzhaußen" festgelegt. Die Produkte aus dieser Zeit mit aufwendigen Relief- und Bildnisauflagen zeugen von dem hohen künstlerischen und technischen Niveau. Neben Bildgeschichten biblischen Inhalts zierten auch Wappen oder szenische Darstellung nach Graphiken bedeutender Künstler die Wandungen der Gefäße, die sich beim Adel und dem reichen Bürgertum einer hohen Wertschätzung erfreuten. Nach dem 30jährigen Krieg wuchs die Mitgliederzahl der Kannenbäckerzunft stetig an und es wurde in weiteren Orten mit der Herstellung von Steinzeug begonnen. Im Barock veränderte sich die Gestaltung der Trinkgefäße nachhaltig neue Formen kamen auf, die Krüge wurden ei-, birn- und kugelförmig. Als neue Farbe erscheint das Manganviolett, welches der Freude der Barockzeit an kräftig leuchtenden Dekoren entgegenkam. Typisch für das Steinzeug aus dieser Zeit sind die vielen kleinen Auflagen in Form von Rauten, Blüten und Rosetten, die oft die ganze Gefäßwandung bedecken. Hinzu kommen Ritzmuster, die farbig ausgelegt werden. Mit der künstlerischen Blüte und dem wirtschaftlichen Aufschwung war auch ein starkes Anwachsen der Zunft, zugleich aber auch die Gefahr einer Überbesetzung des Handwerks verbunden, der die Landesherren schon 1707 durch die Einführung von Zulassungsbeschränkungen zu begegnen versuchten. Die Wirkungslosigkeit der immer wieder erneuerten Bestimmungen führte zur befürchteten Überbesetzung und der Heranbildung einer großen Zahl von sog. Halbmeistern. Dies auch als ´Schnatzen/Schnaßen´ Bezeichneten waren oft nicht einmal in der Lage, den Minimalanforderungen zu genügen und die einfachen zylindrischen Mineralwasserflaschen ("Krüge") herzustellen. Nach den Mitgliederlisten der Kannenbäckerzunft erreichte die Zunft 1771 mit 600 nominellen Meistern in 23 Orten ihren größten Umfang, wobei sich der Anteil der Schnaßen auf fast 62 v.H. belief. Das Problem der ungelernten Halbmeister steht in engem Zusammenhang mit der starken Verschiebung bei der Nachfrage und dem Bedarf der produzierten Warengruppen. Waren die schmucklosen Mineralwasserflaschen im 17. Jahrhundert nur Beiwerk gewesen, wurden sie mit dem Ausbau der landesherrlichen Brunnenverwaltungen und dem sich schnell entwickelnden Versandgeschäft bis zum Ende des 18. Jahrhunderts quantitativ zum Hauptartikel der Westerwälder Steinzeugtöpferei. Dagegen verlor das mit großflächigen Auflagen verzierte Steinzeug an Bedeutung, insbesondere seitdem Konkurrenzprodukte aus Fayence und Porzellan auf dem Markt angeboten wurden, die in höheren sozialen Schichten den Gebrauch des Steinzeugs zunehmend verdrängten. Die Folge war eine Reduktion der Gestaltung auf weniger aufwendige Techniken: Farbe (Kobaltblau und Manganviolett) und Ritzmuster wurden nach und nach bis zum Ende des 18. Jahrhunderts zum dominierenden Gestaltungselement des Westerwälder Steinzeugs. Damit einher ging ein langsam fortschreitender Verlust an künstlerischen Fertigkeiten und die Reduzierung des Angebotes auf einfacheres Gebrauchsgeschirr. Die Kannenbäckermeister unterschieden sich zunehmend nach ihrem hauptsächlich hergestellten Produkte in Kannen- oder Krugbäcker. Die schlechte Lage der Töpfer erregte auch das Interesse der Landesherren, die aus fiskalischen Erwägungen heraus Abhilfe zu schaffen suchten. Die Aufhebung der Gesamtzunft (1775) und die Errichtung von neuen Teilzünften 1775 für die trierischen bzw. 1777 für die wied-neuwiedischen Orte brachte jedoch nicht den gewünschten Erfolg, da hinsichtlich der Überbesetzung und des Qualitätsverlustes keine wirksamen Maßnahmen ergriffen wurden. Der Auflösung der ehemals trierischen Zunft 1804 und der ehemals wiedischen Zunft 1819 im Zuge der allgemeinen Abschaffung der Zünfte und der Einführung der Gewerbefreiheit im Herzogtum Nassau folgte eine Zeit der wirtschaftlichen Stagnation und des Rückgangs. Häufig waren die Kannenbäcker dem neuen Konkurrenzkampf nicht gewachsen, die Folgen der Kriegsjahre um die Jahrhundertwende ließen zudem den Absatz stocken. Der schlimmste Schlag für das Töpferhandwerk war die Eroberung des Marktes durch das massenhaft hergestellt Steingut. Die Verbraucher konnten nun auf ein porzellanähnliches Geschirr zurückgreifen, das feiner als Steinzeug ist und vielfältigere Dekorationsmöglichkeiten bot.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde versucht, durch die Erweiterung der traditionellen Produktpalette, der Einführung neuer Technologien und einer fundierten Ausbildung, dem Handwerk einen neuen Aufschwung zu geben. So verbesserte sich auch im Kannenbäckerland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge der industriellen Revolution die Lage. Durch die Erfindung von Pressen, Schneide- und Knetmaschinen wurde die Arbeit der Euler erleichtert, womit auch der Beginn des Übergangs vom traditionellen Handwerk zu industriellen Produktionsformen markiert wird. Auch entdeckte man im Zeichen des Historismus und der damit verbunden Rückbesinnung auf frühere, in künstlerischer Hinsicht "bessere" Zeiten die Formen und Techniken der Renaissance und des Barock wieder. Man trachtete nun danach, die gewünschten reich verzierten Gefäße mit möglichst wenig Aufwand und Kosten in großen Stückzahlen zu produzieren. Firmen wie R. Hanke, R. Merkelbach oder Dümler & Breiden gingen dazu über, fabrikmäßige Serienproduktionen in hoher Qualität zu fertigen. Gipsformen wurden entwickelt, in die die Schmuckmotive schon negativ eingearbeitet waren und in die der Ton gegossen oder mit einer Schablone eingedreht wurde. So konnten aus einer Form viele gleiche Gegenstände in relativ kurzer Zeit gefertigt werden, was die Produktion enorm vereinfachte. Für die Steinzeugproduktion im Westerwald begann eine neue künstlerische und wirtschaftliche Blüte. Hatte man zunächst alte Gefäße genau kopiert. so ging man bald davon ab und versuchte, durch Abwandlung von Details neue Formen und Zierate zu gewinnen. Neben Motiven aus der Genremalerei so übertrug man z.B. Motive des Malers Franz Defregger gern auf Bierkrüge erfreuten sich auch Szenen aus der um die Jahrhundertwende idealisierten Welt der Germanen großer Beliebtheit, wovon die sog. "altdeutschen Gefäße" zeugen. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die historischen Formen und Dekore unmodern. Die neue Kunstrichtung des Jugendstil brach mit der Nachahmung der alten Stiel und bemühte sich um eine eigene Ausdrucksweise. In der Keramik zeigt sich der neue Stil in der Anwendung neuer farbiger Glasuren und in der freieren Formgebung. Gerade auf dem Gebiet der Trinkgefäße aus Steinzeug entstanden sehr gute Beispiele des neuen Kunstverständnisses. Die mit ihrer traditionellen einfachen Gebrauchsware und den Historismus-Gefäßen in Absatzschwierigkeiten geratenen Westerwälder Steinzeugfirmen konnten unter Vermittlung preußischer Regierungsstellen namhafte Künstler und Designer für den Entwurf moderner Gefäße gewinnen. Für Firmen in Höhr und Grenzhausen entwarfen u.a. Richard Riemerschmid, Henry von der Velde, Peter Behrens oder Paul Wynand. Mit dem Ersten Weltkrieg und dem Ende der Jugenstil-Bewegung erlitt aber auch dieser Produktionsbereich im Kannenbäckerland einen erheblichen Einbruch, da die künstlerische Entwicklung keine Fortsetzung fand. Erst in den späten 20er und 30 Jahren sind neue Tendenzen unter Rückbesinnung auf die alten Techniken des Ritzens zu beobachten, die mit den Namen August Hanke, Wim Mühlendyck und Hildegard Storr-Britz verbunden sind. Sie trugen dazu bei, daß diese Techniken nicht völlig in Vergessenheit gerieten und auch heute zum selbstverständlichen Repertoire der Westerwälder Steinzeugtöpferei gehören. Die immer neuen Versuche, den Ton zu formen und zu gestalten, haben neben den Innovationen bei der Steinzeugherstellung auch zur Herstellung anderer Keramikwaren geführt. Hierzu gehören die Tonpfeifenbäckerei, die Platten- und Fliesenherstellung, pharmazeutische Bedarfsartikel, die Produktion von Küchen-, Garten- und Zierkeramik aller Art usw., die das Kannenbäckland heute zu der größten Keramiklandschaft Deutschlands mit dem vielseitigsten Angebot an Erzeugnissen aus Ton machen.